WEG-Recht

BGH: Klimasplitgeräte sind grundsätzlich erlaubt, wenn die Mehrheit sie per Beschluss gestattet

Vor gut einem guten Jahr ließ das Landgericht Frankfurt am Main die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu bezüglich der Frage, ob und in welcher Regelungstiefe die Mehrheit einem bauwilligen Wohnungseigentümer ein Klimasplitgerät gestatten darf (siehe dazu Beitrag vom 15.7.2024). Inzwischen wissen wir mehr. Das Rechtsmittel wurde eingelegt und hatte Erfolg. Die Anfechtungsklage scheiterte.

Beitrag vom 15.7.2025

Mit Urteil vom 23.5.2025 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 128/24 setzt der BGH den Kurs fort, den er in zwei Entscheidungen (Urteile vom 28.3.2025 – V ZR 105/24 [Wanddurchbohrung und Klimasplitgerät] und 14.2.2025 - V ZR 86/24 [Außenwanddurchbohrung für Wohnraumentlüftungsanlage, dazu Beitrag vom 1.4.2025] eingeschlagen hatte. Im Ausgangspunkt muss ein bauwilliger Wohnungseigentümer, der die Gestattung einer individuellen („egoistischen“) baulichen Veränderung zugunsten seiner Wohnung verlangt, jedenfalls nicht gleich zu Beginn alle in Betracht kommenden Informationen, Unterlagen, Nachweise, fachlichen oder gutachterlichen Stellungnahmen, technischen oder behördlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen etc. „auf den Tisch des Hauses“ legen (d.h. der GdWE präsentieren), um eine rechtmäßige Beschlussfassung zu erzielen. Abstrakte Ängste der Miteigentümer vor Belästigungen und Beeinträchtigungen, die durch den substanziellen Eingriff in das Gebäude oder den anschließenden Betrieb einer technischen Anlage theoretisch auftreten könnten, scheiden als Hinderungsgrund im Anfechtungsprozess gegen einen positiven Beschluss bzw. im Beschlussersetzungsprozess gegen einen ablehnenden Beschluss grundsätzlich aus. 

Der Fall

Die Kläger sind Wohnungseigentümer der beklagten GdWE, die aus 11 Wohnungen besteht. Die Eigentümerversammlung vom 08.09.2022 beschloss, dem Eigentümer der Wohnung über den Klägern die Installation eines Klimasplitgerätes auf dem Balkon zu gestatten. Diese Wohnung und der Balkon befinden sich unmittelbar über Wohnung und Balkon der Kläger. Im Beschluss wird das genehmigte Klimasplitgerät wie folgt beschrieben:  „[…] Außengerät Schalldruckpegel: 50 dBA – im Regelbetrieb deutlich leiser. Die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz wird eingehalten. Diese besagt: In reinen Wohngebieten darf der Nachbarschaftslärm tagsüber höchstens 50 Dezibel erreichen. Nachts dürfen es maximal 35 Dezibel sein […]“

Das Amtsgericht Friedberg (Hessen) hatte die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Beschluss für ungültig erklärt. Der BGH entschied im Sinne des Amtsgerichts.

Die Entscheidung 

Zunächst stellt der BGH fest, dass für die Gestattung baulicher Veränderungen eine gesetzliche Beschlusskompetenz in § 20 Abs. 1 WEG verankert sei. Stimme eine Mehrheit für die Gestattung, sei das hinzunehmen. Gegner könnten den Mehrheitsbeschluss nur erfolgreich gerichtlich bekämpfen, falls sie darlegen und beweisen können, dass die Voraussetzungen der sogenannten Veränderungssperre gemäß § 20 Abs. 4 WEG erfüllt seien. Zu dieser Vorschrift führt der BGH aus, dass bei der Beurteilung, ob eine mehrheitlich gestattete (beschlossene) bauliche Veränderung einen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt, im Grundsatz nur die unmittelbar mit der baulichen Veränderung verbundenen Auswirkungen – wie etwa Verschattungen –, nicht aber Auswirkungen des späteren Gebrauchs zu berücksichtigen seien. Anders könne es nur sein, wenn bereits bei der Gestattung evident sei, dass der spätere Gebrauch zwangsläufig mit einer unbilligen Benachteiligung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer einhergehen werde, was bei hierzulande zugelassenen Klimageräten indes typischerweise nicht der Fall sei. 

Fazit für den Verwalter

Klimageräte gehören nicht zu den gesetzlich privilegierten baulichen Veränderungen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummern 1 bis 5 WEG (Elektromobilität, Barrierereduzierung, Einbruchschutz, High Speed-Internet, Balkonkraftwerke). Dies bedeutet, dass kein Wohnungseigentümer gegen seine GdWE einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gestattung hat, also auch dann nicht, wenn er bereit ist, Kosten und Folgekosten zu tragen. Umgekehrt hat der bauwillige Eigentümer „gute Karten“, wenn er es schafft, eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen für sein Vorhaben zu gewinnen. Ein positiver Mehrheitsbeschluss ist schwer zu stoppen, weil nicht jede Beeinträchtigung, insbesondere die sichtbare Veränderung des optischen Erscheinungsbildes der Immobilie, die Baumaßnahme aufhält, sondern nur eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage, die in der Regel aber nicht zu bejahen ist.

Die gesetzliche Ausgangsregelung sieht für die Gestattung baulicher Veränderungen ein Beschlusserfordernis vor. § 20 Abs. 1 WEG lautet: „Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.“ In der Gemeinschaftsordnung kann dieses Beschluss Erfordernis ganz oder teilweise abbedungen werden, was allerdings bislang nur selten vorkommt. Wie jeder Beschluss muss der Gestattungsbeschluss hinreichend bestimmt genug formuliert sein. Rügt der Kläger einen unbestimmten Beschluss, kommt er damit grundsätzlich durch. 

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Bauwillige Wohnungseigentümer dürfen zunächst ohne großen Aufwand ihr Anliegen in die Eigentümerversammlung bringen. Grundsätzlich genügt die Vorlage eines Lichtbildes oder Screenshots aus dem Internet bezüglich der gewollten baulichen Maßnahme. Schon hierdurch sind die Miteigentümer in die Lage versetzt, sich ein Bild zu machen und gegebenenfalls Erkundigungen einzuholen. Der Mehrheit ist es gestattet, die Gestattung mit Auflagen und Bedingungen zu versehen, beispielsweise der Vorlage einer Baugenehmigung mindestens drei Wochen vor Baubeginn, der wiederum dem Verwalter zumindest in Textform angezeigt werden muss.

Der BGH erwähnt in der Entscheidung die Möglichkeit, auch nach bestandskräftiger Gestattung der baulichen Maßnahme durch spätere Beschlüsse ergänzende Regelungen bezüglich des Gebrauchs aufzustellen, sei es im Rahmen einer Hausordnung, sei es durch gezielte Beschlüsse bezüglich der konkreten Anlage. Indessen ist es nicht erforderlich, derartige Nutzungsvorgaben bereits in den ursprünglichen Gestattungsbeschluss aufzunehmen.

Bauwilligen Wohnungseigentümern, die von der GdWE zu ihren Gunsten bzw. zugunsten ihrer (möglicherweise vermieteten) Wohnung eine individuelle/egoistische bauliche Veränderung gestattet haben möchten, steht ebenso wie allen anderen Eigentümern ein Stimmrecht zu. Der bauwillige Wohnungseigentümer ist also keinem Stimmverbot unterworfen, weil er als Antragsteller ohnehin für die Maßnahme stimmen wird. Ist in der Gemeinschaftsordnung die Bildung von Untergemeinschaften mit getrennten Stimmrechten vereinbart, kann es - je nach Einzelfall - sein, dass nur die Mitglieder der Untergemeinschaften stimmberechtigt sind. Das ist eine Frage der Auslegung der Gemeinschaftsordnung. Erntet der Bauwillige bei der Abstimmung eine Ablehnung, muss er seine Beschlussersetzungsklage gegen die GdWE richten, nicht etwa nur gegen die Untergemeinschaft, da diese nicht prozessfähig ist. 

Split-Klimaanlagen bestehen aus einem Innengerät (Wärmetauscher) innerhalb des räumlichen Bereichs der Wohnung und dem Außengerät (Kompressor), die für gewöhnlich durch eine Kältemittelleitung und Strom verbunden sind. 

Fazit für die Gemeinschaft

Grundsätzlich liegen Anspruchsberechtigung und Rechtsverfolgungskompetenz bei Störungen des gemeinschaftlichen Friedens bei der GdWE. Allerdings ist anerkannt, dass einzelne Sondereigentümer allein und ohne Ermächtigung seitens der GdWE eigene Abwehransprüche geltend machen dürfen, wenn es konkrete tatsächliche Störungen des räumlichen Bereichs ihres Sondereigentums gibt. Das bestätigt der BGH auch im vorliegenden Fall. In Rn. 12 der Urteilsbegründung heißt es dazu: Ist das Gerät im Prinzip dazu geeignet, unter Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm betrieben zu werden, ist nicht evident, dass seine spätere Nutzung wegen unbilliger Benachteiligung der Kläger (als der Wohnungseigentümer, deren Einverständnis fehlt) insgesamt unterbleiben muss. Sollte sich nach dem Einbau herausstellen, dass das Klimagerät auch zur Nachtzeit im Tagbetrieb genutzt wird mit der Folge einer nicht hinnehmbaren nächtlichen Lärmbelastung der Nachbarn, könnten dem – trotz bestandskräftiger Gestattung – sowohl die Kläger als auch die GdWE entgegentreten.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt 
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt 
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg 
www.wir-breiholdt.de